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06.07.25 Karsten Smid Greenpeace CCS – 1
STEFANIE EILERS: [00:00:03] Radio Jade. (……..) Hallo im Bürgerfunk bei Radio Jade. Wir haben heute den 6.7.25. Ich bin Stefanie Eilers und erste Vorsitzende des NABU Wilhelmshaven. Aus der aktuellen Lage rund um die Entwicklung Wilhelmshavens zur Energiedrehscheibe Deutschlands haben sich im Mai 2022 die Umwelt- und Klimaschutzverbände, der Stadt, der Region und darüber hinaus zusammengeschlossen und das Netzwerk Energiedrehscheibe gegründet. Heute sind in diesem Netzwerk mehr als 180 Leute täglich unterwegs und sammeln Neuigkeiten und tauschen sich zu den aktuellen Entwicklungen aus. Die vier großen Umweltschutzverbände, Deutsche Umwelthilfe, der BUND, NABU und Greenpeace und die Scientists for Future als Wissenschaftsorganisation sind dabei. Aktuell zählen wir 28 Gruppierungen, Vereine, Bündnisse und Einzelpersonen. In ihrer Sendung heute ist schon die 70. Sendung dieses Bündnisses, möchte ich euch aus dem Kreis der Fachleute Menschen vorstellen, Themen moderieren oder Neuigkeiten vermitteln, die dieses Netzwerk hervorbringt und recherchiert hat. [00:01:07] Wenn ihr die Sendung von heute hören wollt, meldet euch bitte. Sie wird ohne Musik zugeschnitten und ist damit auch ein Wissens- und Zeitzeugnis für eine Diskussion im Freundes- und Bekanntenkreis. Bitte schreibt dazu eine Nachricht in allen gängigen Messengern an 0171 371 6016. Ich wiederhole 0171 371 6016 oder eine E-Mail an info@nabu-wilhelmshaven.de. Heute geht es um CCS. Und Karsten Smid von Greenpeace ist unser Gesprächspartner. Das Gespräch haben wir vor der Sendung aufgezeichnet. Und in der ersten Stunde sprechen wir über das Speicherpotenzial in der Nordsee. Und in der zweiten Stunde untersuchen wir Lobbystrukturen zu CCS. Wir gehen also mal ganz tief rein. Leg mal los, Karsten.
KARSTEN SMID: [00:01:53] Ja, hallo. Mein Name ist Karsten Smid. Ich bin Klima- und Energieexperte bei Greenpeace. Und ich beschäftige mich auch um Carbon Capture and Storage. Also das heißt das Abscheiden von CO2 an Kraftwerken oder Industrieanlagen. den Transport dann über ein riesiges Pipeline-Netz und das Verpressen im Untergrund. Und ich habe das vor 15 Jahren schon gemacht, als das aktuell ein Thema war bei dem Abscheiden von CO2 an Kohlekraftwerken. Auch damals galt das als alternativlos. Und wir hatten von Greenpeace aus gesagt, nein, es gibt die erneuerbaren Energien. Wir brauchen diese Entsorgungstechnik überhaupt nicht. Das ist eine nachsorgende Technik. Sie erzeugt sehr viel CO2 und Endlager, die mit einem hohen Risiko auch verbunden sind. [00:02:57] Und es ist wesentlich vernünftiger, gleich vorne anzufangen beim Prozess und dort CO2 zu verhindern. CO2 zu verhindern, dass es überhaupt nicht entsteht. Und wir haben diese Techniken mit den erneuerbaren Energien, die Strom völlig ohne CO2 produzieren können. Und heute sprechen wir wieder über Carbon Capture and Storage. Diesmal soll das im Meer, in der Nordsee verpresst werden. Und diesmal soll es hauptsächlich von Industrieanlagen kommen. Aber das Prinzip ist eigentlich genau das Gleiche.
STEFANIE EILERS: [00:03:42] Also, vor 15 Jahren gab es diese Diskussion auch schon. Das ist ja ganz spannend. Wenn ihr den Namen Karsten Smid:, Karsten mit K und Smid geschrieben mit SMID, im Internet sucht, werdet ihr sehen, auf welchem Niveau der Gesprächspartner, die inzwischen angekommen sind in diesem Bürgerfunk. Karsten, danke für deinen Glanz und herzlichst Willkommen in Wilhelmshaven und Umgebung. Erneuerbare entwickeln keine CO2-bedändige Produktion. Wir hören mal weiter. Nochmal, Karsten, was ist CCS, bitte?
KARSTEN SMID: [00:04:12] CCS ist eigentlich eine riesige technische Illusion. Und zwar angetrieben von der Gaslobby, die so tut, als wenn wir so weitermachen können mit dem Verfeuern von Kohle, Öl und Gas, von diesen fossilen Energieträgern. Und es nur dann am Ende irgendwie abscheiden und entsorgen sollen. Aber da hängt eine riesige Infrastruktur damit zusammen. Das heißt, ich muss neben den Industrieanlagen riesige chemische Anlagen nochmal ergänzend dazu bauen, wo ich das CO2 abscheide, das verbraucht viel Energie. Ich muss ein Pipeline-Netz aufbauen, quer durch Deutschland, Pipelines führen, über tausende Kilometer. Geplant ist hier gerade Wilhelmshaven zu einer Drehscheibe für CO2 zu machen. [00:05:16] Also gehen die hier nach Wilhelmshaven. Und dann muss ich das auch in der Nordsee, und das ist die aktuelle Planung, verpressen. Und für tausende von Jahren dafür sorgen, dass es dort auch sicher im Untergrund verbleibt. (…)
STEFANIE EILERS: [00:05:37] Also, Wilhelmshaven mittendrin. Gut, dass du uns heute deine Erkenntnisse mitgebracht hast. Ist das denn sicher?
KARSTEN SMID: [00:05:45] Nein, und das ist keinesfalls sicher. Wir von Greenpeace haben einen renommierten Geologen, den Dr. Ralf Krupp, beauftragt, mal sich um diese Risiken zu kümmern. Und der hat für uns eine Studie gemacht, geologische Risiken der CO2-Verpressung in der Nordsee. Und die zeigt deutlich, dass das CO2 weder sicher noch dauerhaft unter dem Boden der Nordsee verpresst werden können. Erstens ist es so, dass dieses theoretische errechnete Potenzial von Bundesamt für Geowissenschaften und Rohstoffe und dem Kieler Forschungsinstitut Geomar überhaupt nicht vorhanden ist. Das sind theoretische Rechengrößen, mit denen die arbeiten. Dann zeigt sich zweitens, dass diese vermeintlichen Speicherprozesse so überhaupt nicht funktionieren. Also die angenommene Mineralisierung von CO2, das Anheften an das Gestein oder aber auch andere Prozesse, [00:06:52] die das stabilisieren sollen, funktionieren nicht so. Das CO2, das bleibt potenziell auf Wanderschaft. Und Dr. Krupp hat auch festgestellt, dass gerade in dem Pilotprojekt, in dem Pilotgebiet A, wo jetzt ausgewählt worden ist von dem Geostore-Projekt, dem wissenschaftlichen Projekt, das in der Nordsee sich um die Speicherstrukturen kümmern soll, dass gerade hier Störzonen überhaupt dieses Salzkissens ist, wo das CO2 drin verpresst werden soll. Dann kommt noch erschwerend hinzu, dass es diese angenommenen Fallen, wo das CO2 dann dauerhaft endgelagert werden soll, überhaupt nicht dicht sind, sondern dieses CO2, das kann entweichen. Und das CO2, was ich dort mit hohem Druck verpresse, das führt auch dazu, [00:07:57] dass Salzwasser verdrängt wird in den unteren Erdschichten und damit dieses Salzwasser inklusiv giftiger Substanzen auch schnell an die Oberfläche dringen können und dort dann potenziell die Meeresfauna und Flora oder aber auch andere Lebewesen schädigen kann.
STEFANIE EILERS: [00:08:21] Theoretische Rechengrößen, vermeidliche Speicherprozesse, Mineralisierung von CO2, an Gestein anheften, alles so Vokabeln, die wir in unseren Diskussionen gebrauchen können. Fallen sind nicht dicht. Sie sind nicht dicht. Ich bin Stefanie Eilers. Heute mit einer Sendung zu CCS, dem angeblichen Heilmittel unseres Klimaproblems. Karsten Smit ist unser Gesprächspartner heute von Greenpeace. Was ist denn die Idee hinter CCS genau? Magst du uns das bitte noch einmal aufdröseln? Es ist ja echt kompliziert.
KARSTEN SMID: [00:08:54] Genau, nochmal zu dem Prinzip. Die Idee ist, Millionen Tonnen von CO2 pro Jahr in die Nordsee zu bringen und dort unterhalb des Nordseebodens in ein paar tausend Meter Tiefe in salinäre Aquifere, das ist so ein sandhaltiger Boden, der mit Salzwasser getränkt ist, unter hohem Druck zu verpressen. Und das funktioniert aber nur, wenn diese Strukturen, diese Fallenstrukturen auch unten irgendwie offen sind, sodass das Salzwasser sich dann durch diesen Druck auch links und rechts weichen kann. Wenn ich völlig geschlossene Strukturen habe, dann ist der Druck viel zu hoch und es besteht die Gefahr, dass es dort zu Blowouts kommen kann. [00:09:56] Also insofern brauche ich sogar offene Strukturen, um das CO2 da drin zu verpressen. und dann ist es auch so, dass dieser hohe Druck dazu führt, dass das CO2 in einem kritischen Zustand ist und es ist ja auch noch nicht mal ein reines CO2. Dieses CO2 ist mit anderen Giftstoffen aus den Industrieprozessen dann auch belastet, sogar teilweise mit so ein bisschen Wasserdampf noch. Das heißt, es macht das hochkorrosiv und das alles sind Risiken, denn ich muss ja dafür sorgen, dass das über Tausende von Jahren dort dicht, (…..) dieses Endlager dicht bleibt und das CO2 nicht entweichen kann. Und ob das jemals garantiert werden kann, ist mit hohem Zweifel verbunden. [00:11:01] Das zeigt die Studie von dem Geologen Dr. Ralf Krupp, der sich da auch schon sehr, sehr lange mit beschäftigt hat und es zeigt eben auch, dass die ganzen Annahmen, die von der Industrie getroffen worden sind und diese scheinheiligen Versprechen, ja, das ist schon sicher von der Politik so einfach nicht stimmen. Im Gegenteil, gerade dieses Projekt, den Speicher, den man sich dort ausgesucht hat, wo das CO2 endgelagert werden sind, ist mit einer Störzone der Klasse 2 behaftet. Also darüber liegen Störzonen, wo das CO2 sehr leicht entweichen kann und das macht dieses ausgewählte Pilotgebiet zu einem noch höheren Risiko, [00:12:04] als es ohnehin diese ganze Verpressung sonst bedeuten würde.
STEFANIE EILERS: [00:12:11] Okay, Saline Aquifere, Blowouts und interessant, es braucht offene Strukturen. Ich dachte ja immer, sie müssen geschlossen sein. Danke für die neuen Informationen zu dieser Geschäftsidee, Kohlendioxid einzufangen und wegzudeponieren. Wir leben von Annahmen. Mal sehen, wie es weitergeht. Störzone der Klasse 2, hast du noch gesagt. Das liegt darüber in einem Pilotprojekt und das CO2 wäre nie rein, sondern immer belagert mit Dingen. Oh je, Karsten, was hast du noch für uns, bitte?
KARSTEN SMID: [00:12:40] Ja, und das ist alles noch viel schlimmer. Denn das, was die Wissenschaftler vom Geostore-Projekt an Speicherpotenzial in der Nordsee, also in der deutschen Nordsee, erkundet haben und errechnet haben, in dem sie an die Öffentlichkeit gehen und an die Politik, diese 1 bis 6 Gigatonnen CO2 an Speicherpotenzial, das ist nur eine theoretische Rechengröße. In der Praxis, in der Realität zeigt sich ein völlig ernüchterndes, völlig anderes Bild. Die Geomarwissenschaftler haben zusammen mit dem Bundesamt für Geowissenschaften und Rohstoffe 71 Lagerstätten identifiziert, aber von diesen 71 möglichen Lagerstätten sind viele viel zu klein zu sich, [00:13:52] sodass sich das niemals wirtschaftlich rentieren würde. Wenn ich jetzt einmal die Schwelle ansetze, die theoretische Schwelle, dass mehr als 30 Millionen Tonnen in der Nordsee, in solch ein Endlager am Ende gespeichert werden kann, dann reduziert sich diese Anzahl von Lagerstätten von 71 auf nur noch 25. Und von den 25 liegen allein 9 in geologischen Störungszonen, die müssten aus meiner Sicht ganz klar aus Sicherheitsgründen für eine Endlagerung von CO2 ausgeschlossen werden. Dann bleiben also nur noch 16 Strukturen. Und von den 16 Strukturen liegen 6 in Naturschutzgebieten. Dort soll die CO2-Verpressung gesetzlich ausgeschlossen werden. [00:14:55] Das ist auch notwendig, weil wir den Lebensraum der Nordsee für die Natur, für die Schweinswale dringend benötigen. Wir müssen die Industrialisierung der Nordsee, die mit der CO2-Verpressung vorangetrieben wird, wir müssen die stoppen und wir brauchen diese Naturschutzgebiete. Deshalb ist es so wichtig, dass auch dort keine CO2-Endlager geplant werden. Also habe ich dann nur noch 10 verbleibende Strukturen. Dann kommt es zur technischen Krönung. Ich habe das eben schon erklärt. Von diesen 10 Strukturen, da sind gerade mal 4 Strukturen, die offen oder halb geschlossen sind. Die 6 anderen geschlossenen Strukturen, da kann ich überhaupt gar keine großen Mengen von CO2 drunter verpressen, [00:16:02] weil sich der Druck sofort so stark erhöhen würde, dass es zu Blowouts kommt. Also unterm Strich bleiben von den 71 potenziellen CO2-Endlagern, die das Geostore-Projekt errechnet hat, mit ihren 1 bis 6 Gigatonnen CO2, maximal 4 übrig. Und von diesen 4, da weiß ich heute auch noch gar nicht, wie viel CO2 dort überhaupt zu verpressen sind, weil sie gar nicht genau untersucht worden sind, weil ich da ja auch gar nicht so einfach reingucken kann. Da müssen jetzt erst Bohrungen gemacht werden, sich gucken, wie sich es tatsächlich im Untergrund verhält. Es müssen seismische Tests gemacht werden, da kommen wir hinterher noch dazu, weil gerade diese seismischen Tests, also das Arbeiten mit Schallkanonen in der Nordsee, [00:17:06] die Schweinswale enorm beeinträchtigen. Da müsste ich jetzt erst mal nachgucken. Aber klar zeigt sich heute schon diese Strukturen, das Speicherpotenzial, das angenommen wurde von den Wissenschaftlern, das existiert so überhaupt nicht.
STEFANIE EILERS: [00:17:26] Okay, ich wage mich mal wieder an eine Zusammenfassung. 1 bis 6 Gigatonnen Speicher CO2. Und in der Praxis zeigt sich ein anderes Bild. Wissenschaftler von GEOMAR, 71 Lagerstätten wurden also identifiziert, viele davon sind zu klein, und dafür wird wirklich Werbung gemacht, auch hier in Wilhelmshaven? Ich bin ja sehr gespannt, was du uns noch berichtest. Ich hoffe, die Entscheider hier in der Stadt Wilhelmshaven hören heute zu. Habt ihr mitgeschrieben? 25 minus 9 in geologischen Störzonen, na, und dann noch die 6 für die Naturschutzgebiete, und 6 weitere sind unten geschlossen, und wir merken uns also die Zahl 4. 4. Und wie viel Geld ist dann in die Erforschung geflossen? Wie viel Steuergeld? Und seismische Tests, da erinnere ich unsere Sendung mit Corinna Ruhl zu Lärm in der See. Hallo, hier ist die Sendung des Netzwerks Energiedrehscheibe im Bürgerfunk von Radio Jade. Ich bin Stefanie Eilers und präsentiere euch heute schon die 70. Sendung unseres Bündnisses aus 28 Klima- und Umweltschutzgruppen. 180 Leute suchen inzwischen nach Themen, die mal besprochen werden müssen. [00:18:28] Heute geht es um ein Lösungsangebot namens CCS, ausgesprochen Carbon Capture in Storage, CO2 einfangen und unter der Nordsee lagern, was die Gasindustrie als Lösung verkaufen möchte, und wo die Stadt Wilhelmshaven, das Land Niedersachsen und auch Europa eine Chance sieht, unsere Emissionen wieder rückgängig zu machen. In der neuen Net Zero Nord-West-Vorlage, die der Stadtrat in Kürze zu entscheiden hat, taucht CCS versteckt auf. Und deswegen haben wir heute einen Referenten hier in der Sendung, der uns das aufdröseln kann. Karsten Smid: von Greenpeace, lass uns mal weiterhören. Was wird denn so berichtet? Welche Mengen werden denn so genannt?
KARSTEN SMID: [00:19:04] Ja, in der Öffentlichkeit und auch gerade in der Politik, da ist so die irrige Vorstellung, Ach, in der Nordsee, da können wir Unmengen von CO2 verpressen. Und das haben die Geologen auch so kolportiert. Ich war selbst in der Anhörung, wo es dann von Seiten von Geomar, von den Wissenschaftlern, in der Präsentation in Schleswig-Holstein hieß, wir haben 1 bis 6 Gigatonnen Speicherpotenzial. Und da haben sie noch nicht mal das Wort statische Potenziale genommen. Denn das ist das Kunstwort, mit dem sich aufzeigt, dass das nur eine theoretische Rechengröße ist. Wenn ich die tatsächlichen dynamischen Potenziale mir anschaue und dann auch noch die raumplanerischen und wirtschaftlichen Randbedingungen betrachte, dann reduziert sich das eben drastisch. [00:20:06] Dann ist nur noch ein Bruchteil überhaupt nutzbarer Endlagerkapazität vorhanden. Und da haben die Wissenschaftler sich systematisch einer hohen Zahl bedient und mit diesem Kunstwort statisch dann auch, wo wirklich niemand weiß, was das eigentlich bedeutet, auch die Vorstellungen von Politik und Industrie auch in die falsche Richtung geleitet. Das ist nicht sauber. Das sind Fakten wie Kühe. Wenn man sich die Fakten anguckt und man muss sie nur scharf anschauen, dann laufen sie davon. Und das finde ich absolut unsauber und unseriös. [00:21:13] Und deshalb ist es auch so notwendig, dass wir jetzt bei der Erarbeitung des Kohlendioxid-Speichergesetzes, was ja ganz, ganz schnell kommen soll, auch eine Anhörung machen und in dieser Anhörung die Fakten auf den Tisch kommen.
STEFANIE EILERS: [00:21:35] Nur noch ein Bruchteil nutzbarer Endlagerkapazität und achtet auch auf die feinen Details. Statische. Ein Wort ohne Sinn und Fakten wie Kühe, die davonlaufen. Den muss ich mir merken. Wie viel kann man denn einpressen, Karsten? Hast du da Informationen für uns?
KARSTEN SMID: [00:21:49] Dazu kommt noch, dass davon ausgegangen wird, dass fünf bis zehn Millionen Tonnen CO2 pro Jahr in solch eine Endlagerstätte in der Nordsee verpresst werden kann. Und wenn ich das mal vergleiche mit jetzt üblichen Projekten, da gilt dann immer das Vorzeigeprojekt in Norwegen, Sleipner, wo seit Jahren schon CO2 verpresst wird, als das gute Beispiel. Und dann sehe ich, dass es da um ganz andere Mengen geht. Bei Sleipner wurden in den letzten Jahren gerade mal etwas über 100.000 Tonnen CO2 verpresst. Früher war mal so die Annahme, bis zu eine Million Tonnen CO2 in dem Endlager vor Norwegens Küste zu verpressen. [00:22:50] Aber das ist gerade in einem Jahr geglückt. Meistens war das deutlich geringer und in den letzten Jahren sogar eben nur 100.000 Tonnen pro Jahr. Also jetzt will man das Hundertfache hier in der Nordsee verpressen. Und wie ich so viel CO2 in so kurzer Zeit dann verpressen will, ohne den Druck am Erdboden überzustrapazieren, das konnte mir bisher noch keiner sagen.
STEFANIE EILERS: [00:23:32] Okay, Sleipner, 100.000 Tonnen CO2 in den letzten Jahren, das sind die Fakten, die öffentlich sind, okay. Und diese Zahlen, die machen mich echt schwindelig. Und Druck und Verpressung, bleibt das ohne Folgen, Karsten?
KARSTEN SMID: [00:23:45] Ja, wenn ich CO2 unter so hohem Druck dann unter den Meeresboden verpresse, dann werden selbstverständlich auch Erdbeben induziert. Das sind dann Mikroerdbeben. Wir kennen das aus der Gasförderung. In Groningen müssen die Menschen darunter leiden, weil der Boden absenkt, weil es ständig zu Erdbeben dort kommt. Da ist das der umgekehrte Effekt. Dort wird ja Gas rausgeholt. Aber auch wenn ich hier jetzt CO2 unter hohem Druck unter dem Boden verpresse, dann führt das auch zu induzierten Erdböden. Und es ist ein enormes Problem für Windkraftanlagen, die da zum Beispiel dann stehen oder in der Nähe stehen, weil die natürlich diese Infrastruktur auch schädigen können. Und die Firmen, die das dort verpressen wollen, [00:24:47] die wollen natürlich möglichst sich aus der Haftung dort rausziehen und dafür nicht verantwortlich sein. Und es sind nicht nur diese von der CO2-Verpressung induzierten Erdbeben, sondern auch durch geologische Ereignisse von außen kann solch ein CO2-Endlager auch geschädigt werden. Zugegeben, in der Nordsee sind Erdbeben sehr, sehr selten. Ein sehr seltenes Ereignis. In den letzten 50 Jahren hat es sowas dort nicht gegeben. Aber wir müssen noch nicht einmal 100 Jahre zurückgucken. 1931 gab es das Dockerbank-Erdbeben mit einer Stärke von 6,1. Also noch nicht einmal 100 Jahre zurück und wir sehen, dass es dort ein richtig starkes Erdbeben gab. [00:25:57] Was ist, wenn wir dort CO2 in großen Mengen endgelagert haben? Wo das CO2 über Zehntausende von Jahren dort verschlossen drinbleiben muss. Wo wir wissen, dass das CO2 über diese lange Zeit auch nach wie vor mobil ist. Das ist ein hohes Risiko. Und wir können bei solchen seltenen Ereignissen sie über lange Zeiträume eben gerade nicht ausschließen.
STEFANIE EILERS: [00:26:31] So, dann müssen wir nochmal weitersprechen. Wir waren jetzt bei der Nummer 9. Ich habe mich ein bisschen verklickt. Okay. Also Erdbeben in Groningen und Windkraftanlagen in der Nähe. Und wenn ihr Fragen zu dieser Sendung heute habt, 01713716016 in allen geringen Messengern. Ich sage es nochmal 01713716016. Im Nachhinein sammeln wir die Fragen und schicken sie Karsten zu. Hallo im Bürgerfunk von Radio Jade. In der Sendung des Netzwerks Energiedrehscheibe. Ich bin Stefanie Eilers. Weiter geht es mit Karsten Smid: von Greenpeace. Schallkanonen und Lärm in der See. Wozu braucht man die, bitte schön?
KARSTEN SMID: [00:27:07] Der Einsatz von Schallkanonen ist sowohl für die Suche von diesen CO2-Endlagerstätten unerlässlich, aber auch später für das Monitoring. Also die Frage, bleibt das CO2 dort auch, wo ich das in den Modellen angenommen habe. Also ich muss da praktisch jedes Jahr nochmal gucken, ob meine Modelle da auch stimmen, ob es nicht irgendwo doch Durchlässigkeiten gibt oder das CO2 auftritt. Dieser Einsatz von Schallkanonen ist für Carbon Capture and Storage unerlässlich. Und der erzeugt aber einen extrem hohen Schalldruck. Und das stört das empfindliche Gehör von Schweinswahlen massiv. Das führt zu chronischem Stress bei Schweinswahlen. Das kann bis zum Hörverlust geschehen oder zu Gewebeschäden. Wobei gerade die Schweinswale, ihr Gehör absolut unersetzlich ist, um zu überleben. [00:28:18] Das alles wird mit der CO2-Verpressung in der Nordsee in Kauf genommen, obwohl wir wissen, dass die Schweinswale zu einer der gefährdetsten Arten in der Nordsee überhaupt gehören.
STEFANIE EILERS: [00:28:39] Und was haben wir jetzt in Wilhelmshaven damit zu tun?
KARSTEN SMID: [00:28:41] Ja, und gerade hier, Wilhelmshaven, der Ort spielt eine Schlüsselrolle. Hier soll, so die Planung der Bundesregierung und der Behörden, Wilhelmshaven zur Drehscheibe für die CO2-Verpressung werden. Hier sollen die Tausende von Kilometer-Pipelines enden. Hier soll in riesigen Stahlbehältern CO2 zwischengelagert werden. Und anfangs dann das CO2 auf Schiffe umgeladen werden, verdichtet werden, verdichtet werden noch einmal und zu den Endlagerstätten in die Nordsee, so 100 Kilometer vor der Küste, verbracht werden. Und das soll hinterher dann auch noch ergänzt werden in einem Ausbaustadium, [00:29:47] durch eine weitere Pipeline, durch das Wattenmeer, dann hin zu diesen Endlagerstätten. Wilhelmshaven spielt also in den ganzen Planungen eine ganz entscheidende Rolle. Hier soll die Drehscheibe für diese ganze gigantische CO2-Entsorgungsinfrastruktur entstehen.
STEFANIE EILERS: [00:30:14] Okay, Pipelines durchs Watt, Windmühlen im Watt, CO2-Entsorgung im Meer. Kannst du uns noch einmal zusammenfassen? Ich bin ein bisschen geflasht von den ganzen Informationen.
KARSTEN SMID: [00:30:23] Um das noch einmal zusammenzufassen. Carbon Capture and Storage, also das Verpressen von CO2 hier unter der Nordsee, das ist eine Technikillusion. Das ist ein Szenario, was von der fossilen Industrie, also von der Gasindustrie, die aufgebaut worden ist, um weiterzumachen wie bisher. Die CO2-Speicherpotenziale in der Nordsee sind maßlos überzogen. Umwelt- und Sicherheitsrisiken werden ignoriert. Die Kostenkalkulationen sind geschönt. Und es fehlt auch völlig an der Transparenz und einer offenen Kommunikation. Politische Entscheidungsträger wurden mit falschen Versprechungen gelockt. Denn es ist ja so verführerisch, so einfach, [00:31:25] einfach CO2 im Untergrund zu verpressen, zu verstecken, so nach dem Motto, aus dem Auge, aus dem Sinn. Und statt dieser fossilen Illusion, die uns von der Gaslobby verkauft werden soll, müssten wir dringend die notwendige Energiewende anpacken. Wir können heute schon, auch bei den Industrieprozessen, CO2 an der Quelle reduzieren. Also dafür sorgen, dass CO2 gar nicht entsteht. Dann brauchen wir diese gigantische CO2-Entsorgungsinfrastruktur überhaupt nicht. Das ist alles keine Zukunftsmusik mehr. Es gibt in der Stahlindustrie die Möglichkeit, Stahl zu erzeugen ohne CO2-Emissionen. In der Müllverbrennung können wir die Kreislaufwirtschaft fördern. [00:32:30] Das kommt uns wesentlich billiger, als jetzt auf solche gigantischen Lösungen mit der CO2-Verpressung in der Nordsee zu schauen.
STEFANIE EILERS: [00:32:46] Mehr zu CCS und den Verführungen der Industrie nach den Nachrichten von NDR Info in der zweiten Stunde heute. Die Lobby. Noch mehr heiße Informationen von Karsten Smid: von Greenpeace.